Pflegekräfte genießen in der Gesellschaft keine allzu große Anerkennung, was sich am deutlichsten in der Bezahlung zeigt.
Krankenschwestern und Pfleger ergreifen ihren Beruf, weil sie für Menschen sorgen wollen. Erst in zweiter Linie denken sie an die Bezahlung. In der Entlohnung wird jedoch Wertschätzung ausgedrückt. Die Wertschätzung setzt bisweilen leider erst dann ein, wenn der Krankheitsfall schon eingetreten ist und ist dann nicht finanzieller Natur.
Die Existenz von Krankenhäusern und der dort Arbeitenden benötigt indessen eine von allen Mitgliedern der Gesellschaft getragene, vorausschauende, solidarische Finanzierung.
Pflegende stehen vor der Aufgabe, mit oft unplanbaren Situationen kreativ, flexibel, ausdauernd und zeitsparend umzugehen. Oft wird die Pflegekraft für etwas verantwortlich gemacht, auf das sie selbst keinen Einfluss hat. So taucht z.B. der allgegenwärtige Zeitmangel in der Bewertung ihrer Leistung auf, anstatt als Organisationsfehler erkannt zu werden. Zeitdruck ist eine Angelegenheit der ganzen Gesellschaft und stellt die Frage nach unserem alltäglichen Umgang mit Zeit und Geld.
Zeitmangel als Organisationsmangel ist vor allem Geldmangel! Zuerst kommt der Kostendruck. Die Forderung nach immer mehr Flexibilität, Schnelligkeit, Belastbarkeit und Kreativität sind Folgen dieses Kostendrucks.
Ein Sprichwort sagt es: „Zeit ist Geld!“ Damit ist Zeitdruck gleich Kostendruck und Zeitmangel immer Geldmangel.
Um dem Kostendruck auf den Grund zu gehen, ist eine Beschäftigung mit unserem Geldsystem vonnöten.
Es ist vor allem der Zinseszinsmechanismus, der für eine ständige Umverteilung von Geld verantwortlich ist. Er spaltet die Gesellschaft in eine arbeitende, zahlende Mehrheit und eine empfangende und besitzende Minderheit. Da alle Zinskosten der Unternehmen in die Preise einkalkuliert werden, müssen sie von allen, die einkaufen gehen, gleichermaßen aufgebracht werden. Der Kleinsparer zahlt so über die Preise viel mehr Zinsen, als er über das Sparbuch erhält. In Deutschland profitieren nur die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung von diesem System. Sie erhalten den Betrag, den neunzig Prozent über die Preise bezahlen.
Für einen Unternehmer wiederum besteht ein Unterschied zwischen Arbeitskosten und Kapitalkosten. An den Kapitaleigner, vertreten durch die Bank, zahlt der Unternehmer Zinsen. Aus der Zinspflicht gegenüber seinem Geldgeber kann der Unternehmer nicht aussteigen. Daher versucht er, mit weniger oder gar ohne Personal auszukommen.
Unser Geldsystem trennt die Arbeit von ihrer gerechten Bezahlung und erzeugt so dauernd "Geld ohne Bedarf" und "Bedarf ohne Geld" (Prof. Dieter Suhr).
"Bedarf ohne Geld" mündet u.a. in Zweiklassenmedizin und Zweiklassenpflege. Er erzeugt Personal- und Zeitmangel und vermehrt so Fehler durch Übermüdung, macht Überstunden nötig, bedeutet Notstand in Pflegeheimen.
Auf der anderen Seite verlangt das überreichlich vorhandene "Geld ohne Bedarf" seine Verzinsung. Es zwingt uns alle, die wir unseren Lebensunterhalt mit Arbeit verdienen müssen, dienstbar zu sein.
“Hat ein Mensch Geld erhalten
ohne dafür gearbeitet zu haben,
so hat ein anderer gearbeitet
ohne Bezahlung."
Aus dem Gesamtsystem aussteigen kann niemand. Jeder befindet sich irgendwo, eine zunehmende Anzahl von Menschen beim Bedarf ohne Geld. Menschen mit wenig Geld sind angewiesen auf die sozialversicherungs-rechtliche Seite des sozialen Netzes.
Dass unter den Bedingungen des herrschenden Systems, indem uns die Kapitalvermehrung die Zeit stiehlt, langfristig eine gleichmäßig gute Arbeit geleistet werden kann, ist sehr zu bezweifeln. Betroffen hiervon sind nicht allein die Pflegeberufe, sondern alle Beschäftigten.
Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen kann nur erreicht werden, wenn sich an dem ungerechten Geld- und Wirtschaftssystem etwas ändert.
Dieser Artikel ist eine gekürzte Version von "Pflege – Maxi-Job für Mini-Lohn" von Beate Petschow.
Welche Auswirkungen die Kapitalisierung des Gemeinwesens für uns alle hat, zeigt beispielhaft der aktuelle ARD-Beitrag "Gewinn für Investoren, Risiko für Patienten".
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